Zum Inhalt springen
Startseite » Podcast » Du bist das Dao – Teil 1

Du bist das Dao – Teil 1

    Erster Teil des „Du bist dias Dao“ mit Kommentaren

    Zum „Werde, der du bist“ gehört auch das „Erkenne dich selbst“. Wenn du – nicht nur mit dem Kopf – verstanden hast, wer du bist, kannst du den Sinn deines Lebens nicht nur kennen, sondern auch erfüllen.
    Das Dao ist das fundamentale Prinzip der klassischen chinesischen Philosophie des Daoismus. Im Essay „Du bist das Dao“ spreche über dieses, das nicht benannt werden kann, denn wenn man es benennt, ist es nicht das „ewige Dao“, wie es im Daodejing von Laozi heißt.

    Youtube, Spotify, Apple Podcasts

    Zurück zu allen Podcasts

    Buchtitel "Du bist das Dao"
    Du bist das Dao

    Meinen kleinen philosophisch-spirituellen Essay „Du bist das Dao“ habe ich als Hörbuch eingelesen und stelle es damit allen Interessierten zur Verfügung, hier mit erklärenden Kommentaren.

    Das Dao ist der zentrale Begriff des Daoismus, einer alten Lehre Chinas. Sie geht zurück auf den chinesischen Philosophen Laozi (老子). In diesem Essay berufe ich mich nicht nur auf die daoistischen Lehren, sondern auch und vor allem auf die persönlichen Erkenntnisse, die ich aus meinen Meditationen mitgenommen habe.

    Was ist das Dao und was sind seine Qualitäten? Wie kann man sich die Schöpfung vorstellen? Und was bedeutet das für mein Leben?

    Einleitung

    Und damit begrüße ich dich zu meinem Podcast! Mein Name ist Thomas Decker und das heutige Thema ist: „Du bist das Dao – Erster Teil.“
    Ich bin ein Fan des Daoismus, insbesondere des klassischen Buches „Vom Dao und vom De“ – dem Daodejing. Neben dem Yijing – dem Buch der Wandlungen – war es das Werk, durch das ich zu meinem Studium der Sinologie gekommen bin. Heute erfährst du, was Dao und De sind und bekommst wahrscheinlich eine erste Ahnung davon, was das Ganze mit dem „Werde, der du bist“ zu tun hat.
    Später geht es weiter mit der Entstehung des Universums, des Lebens und warum du das Dao bist.
    Im Sprachgebrauch der modernen Spiritualität handelt es sich beim Dao um die Quelle allen Seins. Und das De, das manchmal als „Tugend“ oder „Güte“ übersetzt wird, ist die grundlegende Qualität des Dao.
    Immer wenn die Stimme mit Musik unterlegt ist, handelt es sich um Abschnitte aus meinem Essay „Du bist das Dao“, das zugleich die Grundlage für diese und die nächsten beiden Episoden ist.

    Der Text ist – zumindest beim ersten Mal – so zu lesen, als würdest du ihn nur verstehen wollen, aber nicht, als würdest du ihn kritisieren wollen.
    Die aufgeschriebenen Erkenntnisse sind nicht die Frucht meines logischen Verstandes, sondern stammen aus jahrzehntelangen Meditationen. Meditation, so wie ich sie betreibe, ist keine Trance und auch kein Nachdenken. Es ist die willentliche Bewusstseinserweiterung jenseits von Trance und Verstand.

    Dazu mehr in meiner Podcast-Episode über die Meditation. Vielleicht ist es ja so, dass die Meditation im Laufe der Zeit die Intuition stärkt und den Menschen in gewisser Weise durchlässiger macht. Und wenn man im Sinne des „Vipassana“ meditiert, liegt die Sache ja eigentlich auf der Hand. „Vipassana“ heißt „Einsicht“. Und so kam es wohl zu dieser Einsicht: „Du bist das Dao.“ Es beginnt mit einer Übersicht über die einzelnen Abschnitte:

    Die These, die ich in der Überschrift formuliert habe, wird hoffentlich am Ende dieses Aufsatzes deutlich. Auf dem Weg der Erkenntnis vom Dao zu dir, denn der Titel behauptet ja: „Du bist das Dao“, möchte ich am Anfang Fingerzeige darauf geben, was das Dao ist – und nicht ist. Dann sage ich ein wenig zur Qualität des Dao, das ist das „De“. Damit bekommst du hoffentlich eine noch bessere Idee vom Dao. Darauf folgt eine spekulative Beschreibung, wie wir zu einer objekthaften Welt gekommen sind, deren Teil du bist. Dies ist das, was ich die Verwirbelungen nenne. Dann wird es noch konkreter, nämlich zu dir als Person mit den wichtigsten Facetten, nämlich, Körper, Denken, Emotionen usw. Ich hoffe, dann den Kreis mit dem Kapitel „Du als der Ich bin“ so schließen zu können, dass du das Dao in dir selber, beziehungsweise dich als das Dao erkennen kannst.
    Erwarte bitte keine folgerichtige Beweisführung, denn dieser Text ist nicht (nur) für den Verstand geschrieben. Der Verstand ist nur ein kleiner Teil deiner selbst. Wenn dein Verstand diesen Text vollständig erfassen könnte, wäre es der Beweis dafür, dass etwas schiefgelaufen ist. In Teilen gibt es aber vielleicht doch das eine oder andere Futter für den Verstand.

    Das Dao 道 – der Urgrund

    Beim Dao handelt es sich um einen zentralen Begriff aus der chinesischen Philosophie des Daoismus. Grundlegend ist dafür das Daodejing von Laotse (老子). Ich verwende diesen Begriff, um nicht von Gott, dem Universum, dem Leben oder Ähnlichem schreiben zu müssen, weil das alles überfrachtete Ausdrücke sind, die beim Lesen wahrscheinlich zu nicht hilfreichen Vorannahmen führen.
    Das Dao ist das, was immer da ist, wenn alles andere nicht da ist. Es ist nicht das Nichts, sondern der Urgrund. Über das Nichts gibt es auch nichts zu sagen. Das Wort Urgrund ist – genau wie Dao – nur ein Fingerzeig, aber nicht der Name. Phänomene, Erfahrungen und Wahrnehmungen sind im Gegensatz zum Dao alles andere, das temporär da ist, aber wieder verschwindet. Ich möchte dies mit einigen Metaphern verdeutlichen:
    Dunkelheit kann nicht das Licht vertreiben. Aber es genügt eine Kerze, um ein Zimmer zu erhellen. Der Urgrund für das Licht ist die Dunkelheit. Wenn die Kerze erlischt, ist die Dunkelheit unverändert da, weil sie nie weg war. Sie wurde nur vom Licht überstrahlt.

    Die Metapher von der Dunkelheit gefällt mir besonders gut, obwohl oder gerade weil sie so kontraintuitiv ist. Wenn man vom Dao redet und Gott damit meint, scheint man doch mit der Dunkelheit falsch zu liegen. Gott ist doch Licht und Liebe, oder nicht? Während in der Dunkelheit das Böse und die Gefahr lauern. Vielleicht ist das aber nur eine typisch menschliche Sichtweise. Zum Beispiel gefällt uns Helligkeit besser, weil wir uns da sicherer fühlen. Im Dunkeln kann man nichts sehen. Diebe und Räuber verstecken sich in der Dunkelheit, sie sind „lichtscheues Gesindel“, wie man sagt.
    Aber die offensichtliche Wahrheit ist, dass das Licht im Universum die Ausnahme ist. Man braucht nur in den Sternenhimmel zu schauen. Der größte Teil des Weltalls besteht aus einer leeren Schwärze. Wenn nichts wäre – außer dem Raum – wäre es alles schwarz. Dennoch hat das Licht eine Kraft, die die Dunkelheit nicht hat. Du kannst die Dunkelheit zwar mit einer Kerze vertreiben, aber umgekehrt ist das nicht möglich. Die Dunkelheit ist an sich natürlich weder böse noch gefährlich, sie ist einfach geduldig und nicht kämpferisch und gibt dem Licht ohne Diskussion genau den Raum, den es beansprucht. Licht und Dunkelheit sind deshalb keine Gegensätze. Sie sind ein gemeinsames Spiel und sie ergänzen sich.
    Ähnlich verhält es sich mit den weiteren Metaphern: Die Stille, der Raum, der Himmel, der Verstand, der Frieden.

    Stille kann Geräusche nicht vertreiben. Aber man kann Stille mit Geräuschen übertönen. Wenn das Geräusch verklungen ist, bleibt die Stille unverändert, wie sie war. Sie wurde nur zeitweise übertönt.
    Man kann Raum mit Wänden in Abschnitte unterteilen und ihn anfüllen mit Objekten. Der Raum kann die Objekte nicht zum Verschwinden bringen. Sie stören ihn nicht. Ohne den Raum gäbe es kein einziges Objekt.
    Der Himmel wird durch Wolken strukturiert, so dass man seine Weite erkennt. Die Weite war vor den Wolken da. Wolken entstehen und vergehen. Der Himmel bleibt.
    Eine Leinwand wird bemalt mit einer Landschaft. Der Leinwand ist es gleichgültig. Geduldig nimmt sie die Farbe an und bleibt währenddessen dieselbe.
    Ein ängstlicher Gedanke scheint den Verstand eng und klein zu machen. In Wahrheit bleibt er groß. Ein großzügiger, liebevoller Gedanke vergrößert den Verstand nicht. Er nutzt nur seine vorhandene Größe.
    Einer vergisst sich selber in seinem Ärger. Dann gibt es nichts anderes als den Ärger. Aber derjenige, der sich vergisst und in dem der Ärger stattfindet, war vorher da, ist nachher auch noch da und in der Zwischenzeit auch.

    Mit „Verstand“ ist eher der Geist gemeint. Das Wort „Verstand“ zielt nämlich auf eine bestimmte Funktion ab, nämlich das Verstehen. Aber lassen wir es erst einmal, wie es ist.

    Frieden ist der Urgrund für Sturm und Aufruhr. Sturm und Aufruhr haben einen Beginn und ein Ende. Vor dem Beginn und nach dem Ende existiert nur Frieden. Er war auch zwischendurch da. Das andere hat ihn lediglich übertönt.
    Das Dao existiert unverändert und unveränderbar. Es ist der Urgrund allen Seins. Es ist wie der leere Raum, in dem und durch den alle Phänomene und Geschäftigkeiten stattfinden und vergehen. Seine unendliche Leere füllt alles aus. Es gibt keinen Ort, an dem er nicht ist.

    Das Dao als Urgrund zu bezeichnen, scheint etwas weit zu gehen, wenn man es mit seinem Denkvermögen betrachtet. Denn all die anderen Dinge gehören ja auch zum Leben bzw. zur Existenz dazu. Wenn der Himmel der Urgrund ist, die Wolken sind aber nur die Phänomene, sind dann die Wolken etwa kein Dao? – Doch, natürlich gehören sie auch dazu, aber sie sind sozusagen der „geronnene“ oder verdichtete Raum. Wenn wir Phänomene haben, die wir beobachten können, dann vergessen wir gern, dass sie vor einem Hintergrund oder in einem Raum stattfinden, ohne den es sie nicht geben könnte. Sie sind laut, hell, bunt, in Bewegung usw., während der Hintergrund nur still ist. Aber alle Phänomene treten aus dem Urgrund hervor und sind immer die Sonderfälle, während der Urgrund oder „Hintergrund“ die allgemeine und dauerhaftere Wahrheit ist. Der Geist und seine Sinne nehmen alles, was dauerhaft da und unveränderlich ist, als etwas Gegebenes hin. Und sie schauen nur fasziniert auf die Sonderfälle. So ist auch dein Geist ein unendlicher Raum, in dem alles möglich ist. Aber deine Gedanken ziehen gerade wegen seiner Größe deine Aufmerksamkeit auf sich.

    Das Dao strömt in ewigem Nicht-Tun und in tiefem Frieden. Das Strömen hat eine Richtung. Die Richtung ist der Sinn. Richard Wilhelm übersetzt Dao als Sinn. Das gefällt mir zwar gut, greift aber zu kurz. Allein schon wegen des ersten Kapitels des Daodejing wäre es klüger, das Wort gar nicht zu übersetzen: „Das Dao, das benannt werden kann, ist nicht das ewige Dao.“ (道可道非常道。)

    Das Dao kann auch als „Lauf der Welt“, „Weltordnung“ oder „Natur“ übersetzt werden. Auch eine Übersetzung als „der rechte Weg“ habe ich schon gefunden.
    Nach dem Dao wird nun das „De“ erklärt. Eine kleine Kuriosität zwischendurch: Deutschland heißt auf Chinesisch „Deguo“, das „Reich der Tugend“, während China „Zhongguo“, das „Reich der Mitte“, heißt. Eigentlich heißt Deutschland aber nur so, weil es mit „De“ anfängt, aber nicht, weil die Chinesen uns für sonderlich tugendhaft halten.
    Doch weiter im Text:

    Das De 德 – die Qualität

    De bezeichnet die primäre Qualität des Dao: Einfachheit, Unschuld und Angleichung. Im De ist keine Vielheit, keine Verderbtheit und keine Dissonanz zu finden. Seine Fähigkeit ist die Resonanz oder Angleichung. Resonanz und Angleichung bedeuten Liebe, weil sich Gleiches mit Gleichem verbindet.
    Alles ist eins, alles ist gleich, und alles mit allem verbunden. Es gibt keine Unterschiede und daher auch keine Bedeutungen. Das Strömen ist eine nicht-bewegende Bewegung ohne Störung. Wie könnte man eine Bewegung feststellen, wenn es nichts gibt, relativ zu dem es sich bewegt? Alles was ist, ist mit sich selbst identisch. Niemand könnte außerhalb stehen und dies feststellen. Daher findet alles, was ist, in einem nicht-räumlichen Raum und einer zeitlosen Zeit statt. Bewegung, Raum und Zeit sind Teil des Dao. Es wäre nur messbar, wenn es noch etwas anderes gäbe, das Nicht-Dao ist. Das Strömen ist ein Fingerzeig auf die Lebendigkeit, Energie und die Gerichtetheit des Dao.
    Im Daoismus wird das De als die Tugend bezeichnet, weil es die grundlegende Qualität des Dao ist. Die Bedeutung des chinesischen Wortes De ist tatsächlich Tugend. Alles, was dem De entspricht, ist deshalb moralisch richtig, weil es zurückführt zur Einheit. Moral ist aber im Zusammenhang dieses Aufsatzes nicht von Interesse. Das De wird hier nur als Qualität verstanden.

    Tugend und Moral im Bereich des menschlichen Lebens wird erst später interessant – durch die Trennung von Gut und Böse. Gerechtigkeit gibt es nur, weil das Dao verlassen wurde. Vorher ist sie nicht nötig. Aber wie kommt es zu diesen Trennungen und Unterscheidungen überhaupt? Dazu mehr im Kapitel über die Verwirbelungen. Und darüber spreche ich dann im zweiten Teil.
    An dieser Stelle verabschiede ich mich und wünsche dir, dass du hin und wieder etwas mehr Aufmerksamkeit auf den Hintergrund richtest, auf den Raum und die Stille, in denen dein Leben sich ereignet. Bis zum nächsten Mal!

    Schlagwörter: