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Du bist das Dao – Teil 2

    Zweiter Teil von „Du bist das Dao“ mit Kommentaren und Erläuterungen

    Wie ist das Universum entstanden? Vieles scheint dafür zu sprechen, dass der Raum und die viele Materie mit einem großen Knall begann. Meine Theorie beleuchtet die Entstehung der Welt auf spirituelle Art, ist aber auch ein bisschen spekulativ. In dieser Episode geht es wieder um das Dao und wie es dazu kam – und immer noch kommt, dass es eine Schöpfung gibt. Wie sind die vielen Objekte entstanden und inwiefern bist du in einiger Hinsicht dem Dao ganz ähnlich?

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    Einleitung 2. Teil

    Und damit begrüße ich dich zu meinem Podcast! Mein Name ist Thomas Decker und das heutige Thema ist: „Du bist das Dao – Zweiter Teil.“
    Es geht wieder um das Dao – und darum, wie Neugier und Verspieltheit zur Erschaffung des ganzen Universums führen. Wenn du wissen möchtest, was mit Dao und De gemeint ist, höre dir am besten einmal den ersten Teil vom „Du bist das Dao“ an.
    Alles beginnt mit ein paar Verwirbelungen …

    Verwirbelungen

    In einem De-haften Dao hat die geringste aller Störungen die Macht, einen wesentlichen Unterschied hervorzurufen, der ganze Universen entstehen lassen kann. Etwas, das alles ausfüllt, in Bewegung ist, ohne dass die Bewegung außerhalb seiner selbst stattfindet, ist höchste Ordnung, weil der kommende Zustand vollständig vorhersagbar ist, da es immer mit sich selber identisch ist. Es ist aber auch Chaos, denn die winzigste Änderung führt zu unvorhersagbaren Folgen. Damit steht das Dao außerhalb von Begriffen wie Ordnung und Chaos.

    Gemeint ist, dass das Dao gleichzeitig stabil und instabil ist. Es hat das Potenzial zu unvorhersagbaren Veränderungen, während es zugleich als Ganzes unveränderbar ist.

    Der göttliche Funke, der Chaos auslöst und damit die Schöpfung in Gang setzt, wird im Daodejing nicht erwähnt. Es muss ihn jedoch geben, da offensichtlich eine Schöpfung stattgefunden hat und weiterhin stattfindet. Ohne den göttlichen Funken, oder wie auch immer man es bezeichnen möchte, würde alles der Qualität des Dao gemäß wieder in die Unschuld und Einfachheit des De zurücksinken oder wäre in ihm verblieben.
    Der Funke ist so etwas wie eine plötzliche Selbstwahrnehmung, ein Interesse an sich selber, eine Idee von Verspieltheit. Das Dao wird sich seines Bewusstseins bewusst, sein Interesse ist spielerisch ausgerichtet, es hat Lust am Experiment.
    Die Selbstbezüglichkeit des Interesses an sich selber, auch wenn sie nur minimal ist, führt zu einer Verwirbelung im Dao. Die Selbstwahrnehmung wird punktuell, fokussiert und konkret. Die Verwirbelung verursacht eine Kaskade weiterer Störungen. Noch mehr Wirbel entstehen, es verdichten sich Phänomene und lösen sich wieder auf. Wäre das Dao nicht an Wahrnehmung interessiert, wäre alles gleichförmig und ohne Unterschied. Verspieltheit, Interesse und Experimentierlust entfalten ihre Wirkung. Etwas, das anders ist als der Rest, tritt in Erscheinung. Etwas fließt auseinander. Dann fließt das Getrennte wieder zusammen zur Ganzheit, dabei entsteht durch Reibung die Freude.

    Ich halte „Verspieltheit“ tatsächlich für ein grundlegendes Element des Lebens selbst. Und es ist dieses Spielen, das die Kraft hat, ganze Universen zu erschaffen. Schon als Kinder haben wir immerzu alles mögliche ausprobiert und experimentiert: „Was passiert, wenn ich es so mache und was, wenn ich es anders mache?“ …
    Vielleicht kennst du das ja auch: Ich habe mal eine Zeitlang mit einem Flugsimulator gespielt. Man übt das Starten, Navigieren, Landen. Und es macht Spaß, wenn man besser darin wird. Ich habe angefangen, nur bei gutem Wetter zu fliegen, nach Möglichkeit bei schönem Sonnenschein und wenig Wind, einfach weil man mehr sieht und es angenehm ist. Aber irgendwann wurde das Fliegen zur Routine und ich sehnte mich nach Abwechslung und Herausforderungen. Also habe ich das Wetter zunehmend schlechter gemacht und die Simulation so eingestellt, dass der Reihe nach diverse Geräte ausfallen, zum Beispiel der Höhenmesser. Dadurch wurde es wieder spannend. Meine Routine hat mir nicht mehr so viel genützt und ich musste mich neu ausrichten, wodurch ich wieder noch viel mehr gelernt habe.
    Und so sind nicht nur wir Menschen – sondern so ist auch das Dao. Es sucht sich Aufgaben. Und ist nicht das ganze Leben auf der Erde eine einzige Aneinanderreihung von Problemen und Schwierigkeiten? So können wir uns am besten selbst erleben und ausprobieren. Im Grunde ist dieses Spiel nichts anderes als der Ausgangspunkt für jede Wissenschaft. Man ändert die Bedingungen und probiert aus, was passiert. Denn so erkennt man, wie die Dinge zusammenwirken. …
    Im Text befinden wir uns aber sozusagen noch bei der Entstehung der Welt:

    Wenn sich zwei Töne ergänzen, reiben sie sich und werden zu einem Akkord. Wenn zwei Töne gemeinsam verklingen, bleibt der Urgrund des Friedens zurück. Freude gehört deshalb zu den sekundären Qualitäten des Dao, und sie ist mühelos, denn sie entsteht dadurch, dass nach der Aufhebung des De das Dao wieder zu seiner ursprünglichen Qualität zurückfindet. Das wird die profunde Tugend genannt. Freude ist mit dem Energiequantum vergleichbar, das blitzartig ausgestrahlt wird, wenn zwei subatomare Teilchen unterschiedlicher Ladung sich in ihrer Begegnung in ihr ursprüngliches Nichts auflösen. Der Unterschied verschwindet und wird zu Freude – Stille bleibt.
    Dao ist also Leben, Bewegung und Bewusstsein mit Aufmerksamkeit. Indem das Bewusstsein seine Aufmerksamkeit ausrichtet, entsteht ein Unterschied. Ausrichtung ist Sinnhaftigkeit, denn Richtung bedeutet Sinn. Dabei ist das Ausrichten kein Tun, denn es folgt nur seiner eigenen Qualität. Kein Tun heißt auf Chinesisch 无为 (wúwéi). Wuwei ist keine Untätigkeit, sondern das Unterlassen von Aktivität, die der Natur, also dem Dao, entgegengerichtet ist.
    Das Strömen verändert sich, wenn ein Unterschied gemacht wird. Dadurch entstehen Wirbel und Spannungen, Verdichtungen und Dehnungen. So entstehen die Objekte. Aus etwas Gleichförmigem wird etwas Körniges. Dort, wo das Dao gedehnt wird, trennt sich das Yin vom Yang, zwei gegensätzliche Ladungen treten ins Sein. Zunächst ist es nicht mehr als eine durch Trennung entstandene Information.

    Wenn alles in demselben Grauton eingefärbt ist, kann man nichts erkennen. Es gibt nichts zu sehen. Erst, wenn man das Helle vom Dunklen trennt, entstehen Konturen und damit Information. Erst dadurch wird es wahrnehmbar.
    Oder beim Schafgarbenorakel des Yijing: Wenn ich die 49 Schafgarbenstängel in zwei Haufen teile, habe ich entweder links oder rechts eine gerade Anzahl von Stängeln und auf der anderen Seite die ungerade Anzahl. Man trennt Dinge voneinander und hat dadurch eine Unterscheidung. Etwas Neues entsteht, das vorher nur eine reine Möglichkeit war.

    Dort, wo das Dao verdichtet wird, verbinden sich Ladungen miteinander. Es entsteht ein Granulat aus Teilchen, die später zu Atomen werden. Jedes Teilchen besteht aus nichts anderem als aus Dao. Deshalb findet man überall dieselben Ordnungsprinzipien. Und deshalb existiert in allem Bewusstsein, und alles ist von Bewusstsein und Aufmerksamkeit beseelt. Aufmerksamkeit ist die Währung der Liebe. Das gilt in der Teilchen- oder Quantenphysik genau so wie in menschlichen Beziehungen. Durch bewusste Wahrnehmung entstehen Teilchen. Durch Liebe – also durch Aufmerksamkeit – entsteht neues Leben. Dies ist übrigens der Grund, warum im Alten Testament das Verb Erkennen für den Liebesakt verwendet wird. Am Ende der Aufmerksamkeit steht das Erkennen, das ist ihre bewusste oder unbewusste Absicht.

    Verdichtung von Ladungen bedeutet hier nicht, dass sich die Ladungen gegenseitig wieder auflösen. Sie rücken nur näher zusammen und bilden eine neue Einheit. Das ist eine andere Art, etwas Neues zu kreieren. Erst trennt man und dann fügt man es anders wieder zusammen. Ich denke dabei an den Mythos vom Kugelmenschen, den Aristophanes im Symposion von Platon vorträgt. Der Kugelmensch war ein Ganzes, bis er zerteilt wurde. Und dadurch entstanden unter anderem das Männliche und Weibliche. Wenn die beiden sich nun wieder zusammentun, entsteht aus ihrer Verdichtung sozusagen etwas Neues, nämlich erstens ein Paar und dann eine Familie mit Kindern.

    Während die Welt der Objekte immer komplexer wird, gerät das Dao aus dem Blick. Durch die Vielheit der Unterschiede wird der Hintergrund, vor dem alles geschieht, verschleiert. Aber jedes Atom ist nach wie vor nichts anderes als Bewusstsein und Aufmerksamkeit. Mit der weiteren Verdichtung und Trennung zeigen sich die Regeln der Naturgesetze, die im Samen des Dao und De bereits angelegt sind. Die Naturgesetze existieren erst durch die Entstehung der Materie. Erst dann können die Kräfte von Anziehung und Abstoßung wirken. Wenn die Verdichtungen und Trennungen durch ihre Verwirbelung genug Unterschiede produziert haben, wird die Welt komplex. Wenn sie komplex genug ist, kann sie beginnen, ihre eigenen Unterschiede wahrzunehmen. Später kann das Bewusstsein erst die Objekte nicht nur wahrnehmen, sondern sie auch benennen. Das Dao ist nicht benennbar, es bleibt das Numinose, weil es ohne Unterschied und kein Objekt ist. Es ist das Subjekt und befindet sich jenseits der benennbaren Phänomene.

    Das Subjekt wird leicht übersehen. Wie du sicherlich weißt, ist es im bekannten Doppelspalt-Experiment plötzlich wichtig geworden. Bis dahin haben die Wissenschaftler geglaubt, sie würden eine von ihnen „unabhängige objektive“ Wirklichkeit beobachten. Jetzt müssen wir aber erkennen, dass die Beobachtung durch ein Bewusstsein selbst eine Wirkung ist, die das Beobachtete ändert und aus dem Bereich reiner Möglichkeit herausholt und zu etwas Messbarem macht. Deshalb ist jeder von uns ein Schöpfer.

    Die Schöpfung kann ihre eigene Aufmerksamkeit wahrnehmen. Sie wird sich ihrer selbst stabil und dauerhaft, wenngleich nicht ewig, bewusst. Die Verwirbelungen nehmen exponentiell zu, ebenso die Komplexität der Welt. Der Urgrund begegnet sich selber im Urgrund und erkennt allmählich, dass alle Unterscheidungen und Verdichtungen nichts anderes als Schattenspiele sind. Durch Enge und Weite, Verdichtung und Dehnung entstehen in der Person Freude und Leid, Wohlgefühl und Schmerz, Liebe und Angst. Diese sind die Verwirbelungen des Lebens.
    Egal, ob etwas ein Ding ist, eine Pflanze oder ein bewusster Mensch: Alles ist aus dem Urgrund und seiner Qualität entstanden. Deshalb sind in allem der Urgrund und seine Qualität nicht nur enthalten, sondern sie sind in allem wirksam, da nichts aus etwas anderem als ihnen besteht. Das Dao strömt, es ist der Urgrund des Lebens. Daher ist in aller Materie dieses Strömen gegenwärtig und tendiert dazu, sich zu verwirklichen und zu zeigen, wenn die Bedingungen stimmen. Das heißt, dass das Leben nicht aus dem Nichts entsteht, sondern schon immer da ist und nur darauf wartet, hervorzutreten. Das heißt auch, dass das Bewusstsein allgegenwärtig ist, sich aber nur in Verdichtungen zeigt, die komplex genug sind, um sich ausdrücken zu können.
    Bewusstsein und Leben sind keine Qualitäten der Materie. Es ist gerade andersherum: Materie entsteht aus Bewusstsein und Leben. Diese offenbaren sich, sobald die Materie sich, einer inneren Notwendigkeit folgend, erst zu subatomaren Teilchen, Atomen, Molekülen, Aminosäuren, dann zu Proteinen, Zellen, Zellverbänden usw. zusammensetzt. Dann wird die Materie nicht bewusst und lebendig, sondern das Leben und Bewusstsein, aus dem die Materie entstanden ist, leuchtet aus ihr hervor.
    Je mehr Raum die Unterschiede einnehmen, während sie zahlenmäßig immer mehr werden, desto mehr Raum entsteht. Deshalb dehnt sich das Universum mit zunehmender Geschwindigkeit aus. Das Universum ist jedoch nur ein Schattenspiel. Es ist nichts anderes als eine Simulation des Dao, das mit sich selber spielt und sich selber wahrnimmt.

    Und damit möchte ich mich für heute verabschieden und hoffe, dass du in deinem Alltag immer öfter bewusst wahrnimmst, wie durch Trennung und Verdichtung immer wieder neue Informationen entstehen. Und wie Dinge, Personen und Ereignisse in dein Leben treten, die es vorher nicht gab.
    In der dritten Folge werde ich über dich als Körper und Person mit deinem Denken, Fühlen und deinen Konditionierungen sprechen. … Bis zum nächsten Mal!