Im dritten Teil geht es um dich, genauer: um die Person, die du geworden bist und alles was damit zusammenhängt: der Körper, das Denken, die Emotionen und du als selbstreferenzielles System.
Du kannst lernen, zwischem Wirklichkeit und Wahrheit zu unterscheiden und die Identifikation mit deinem Denken und deinem Ego aufzugeben, um frei zu sein.
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Einleitung 3. Teil
Und damit begrüße ich dich zu meinem Podcast! Mein Name ist Thomas Decker und das heutige Thema ist: „Du bist das Dao – Dritter Teil.“
Das Dao führt nicht nur durch seine Neugier und Verspieltheit zur Entstehung des Universums, sondern letztendlich auch zu dir. Heute beleuchte ich diese Aspekte: Den Körper, die Person, das Denken, die Emotionen, dich als „selbstreferenzielles System“ und schließlich die Konditionierungen. All das hatte mit ein paar Verwirbelungen begonnen, von denen ich im zweiten Teil gesprochen habe.
Und jetzt überspringen wir ein paar Millionen Jahre Evolution und kommen direkt zu dir als Person und der Bedeutung des Egos.
Du als Person
Der göttliche Funke, der Chaos und Schöpfung initiiert, ist die Antwort darauf, warum es Elend, Schuld und Leid auf der Welt gibt. Ohne diese untugendhaften Kräfte, die dem De zuwiderlaufen, wäre das Dao bald wieder ausschließlich im stabilen Zustand des Strömens und des Mit-sich-eins-Seins. Dies mag der Abschluss des Spiels sein, aber noch ist es nicht so weit. Die Welt ist noch in ihrer Trance versunken und kämpft ihren unbewussten Kampf. Das Wasser kocht so lange, bis man dem Wasserkocher den Saft abdreht. Dann dampft das Wasser noch eine Weile vor sich hin, bis es sich wieder dem De gemäß an die Außentemperatur angleicht. Solange der Mensch sich mit seinem sterblichen Körper und seinen Gedanken identifiziert, ist er mit Angst und Kampf beschäftigt und hält sein Leiden aufrecht. Identifikation, Angst und Kampf sind wie der Saft, der den Wasserkocher antreibt. Auch dieser Kampf ist der göttliche Funke.
Für die Klarheit in der Unterscheidung möchte ich eine Trennung beschreiben, die bereits stattfindet. Es handelt sich um die komplexeste bekannte Verdichtung, nämlich den menschlichen Körper und die Person, die er hervorbringt.
Körper
Der Körper, der du zu sein scheinst, ist grobstofflich und gehorcht den Naturgesetzen. Er folgt im Wesentlichen den Regeln von Biologie, Chemie und Physik. Er entsteht aus der Vereinigung des Erbguts zweier anderer Körper, wird geboren, wächst, reift, verfällt und stirbt. Er ist nichts Ewiges, er ist einem ständigen Wandel unterworfen.
Das scheint auf den ersten Blick recht einfach zu sein, aber ich möchte kurz die Komplexität des menschlichen Körpers würdigen. Wie vielschichtig und perfekt der Körper ist, sieht man erst, wenn man sich genauer mit ihm beschäftigt. Ob man jetzt die einzelnen Organe betrachtet, die miteinander in Beziehung stehen und voneinander in ihrem guten Funktionieren abhängen – oder ob man die einzelnen Systeme betrachtet: Das Nervensystem, das Immunsystem, das endokrinologische System, der Bewegungsapparat und so weiter … All das ist nichts anderes als ein reines Wunder. Aber wenn man noch die Umgebung hinzunimmt: Die Beziehung zu den Menschen in deinem Lebensumfeld, deine Geschichte, deine Kultur und das politische System, dann wird es vollkommen grenzenlos.
Und nun betrachten wir das, was man als die „Person“ und das „Ego“ bezeichnet.
Person
Die Person, die du zu sein scheinst, ist subtil, aber nicht das Subtilste. Sie ist aus der Geschichte deiner Verwirbelungen entstanden. Im Verlauf deiner Geschichte hast du die Schattenspiele der Objekte für wirklich gehalten. Das Handeln und Sprechen anderer Personen hat dir die Wirklichkeit der Schattenspiele scheinbar bewiesen. Sie sind die Zeugen der einzigen Realität, die sie kennen. Das Aufeinanderfolgen von Verwirbelungen hat dein Denken und Empfinden konditioniert und in eine vorübergehende Form gebracht, die man als deine Person bezeichnen könnte. Das Denken und Empfinden wird immerzu mit jeder neuen Verwirbelung verändert. Die Person ist ihrer Natur nach ebenfalls nichts Ewiges, sie ist einem ständigen Wandel unterworfen. Die Person ahnt, dass sie nur eine Ansammlung von Konditionierungen ist und kein Individuum, sondern etwas Teilbares. Sie ahnt auch, dass sie wegen ihrer Zusammengesetztheit vergänglich ist. Deshalb versucht sie, sich selbst immer wieder zu bestätigen, sich abzugrenzen, sich zu vergleichen, sich unentbehrlich zu machen. Die Instanz, die die Person als Pseudo-Individuum zusammenhält, ist das Ego.
Das Ego ist aus diesem Konflikt hervorgegangen. Es hat die Aufgabe, die Person zu schützen, zusammenzuhalten und gleichzeitig Beziehungen zu pflegen. Daher musste es Vielheit, Verderbtheit und Dissonanz einführen. Weil das Ego aus einem Zustand des Konflikts hervorgegangen ist, ist das Ego die konfliktträchtigste Instanz deiner Person.
Du weißt es wahrscheinlich: Das Wort „Person“ kommt vom lateinischen Wort „persona“ das die Masken im antiken Theater bezeichnet. Durch sie wurden die Schauspieler zu den agierenden Figuren auf der Bühne. Das Verb „personare“ heißt „durch etwas hindurch tönen“. Mit der Maske haben sie das Ego ihrer Figur angenommen.
Ohne Ego kannst du in dieser Welt der Verwirbelungen vermutlich nicht leben. Die Frage ist nur, ob du dich mehr mit dem Ego oder mehr dem „Ich bin“ identifizierst. Zum „Ich bin“ spreche ich in der vierten und letzten Folge dieser Reihe.
Ich meine, dass es beim Aufwachen aus der Trance der Welt nicht darum geht, das Ego loszuwerden oder es sterben zu lassen. In der spirituellen Literatur ist das ja eine geläufige Ansicht und sogar ein Ziel. Wichtig ist aber nur, dass man erkennt, was es ist und wann es sich in den Vordergrund drängt. Wenn man beginnt, es als „kleinen Bruder“ zu sehen oder – etwas weniger familiär – als ein „Werkzeug“ zu betrachten, kann es seine Funktionen ausüben, ohne die eigene Entfaltung zu dem, der du bist, weiter zu beeinträchtigen. Die Degradierung des Egos ist das, was dann als „Ego-Tod“ empfunden wird. Und tatsächlich stirbt etwas, nämlich die Identifikation mit dem Ego, aber nicht das Ego selbst. Denn es existiert ja gar nicht als eine Essenz, sondern ist nur eine Ansammlung von Funktionen.
Und eine dieser Funktionen ist das „psychische Denken“, wie ich es nennen möchte …
Denken
Mit Denken ist hier nicht die relativ selten genutzte bewusste Tätigkeit des logischen und analogischen Schließens gemeint. Gemeint ist die unwillkürliche Produktion von Ideen und Vorstellungen, das Wiederholen kommentierender Beurteilungen, von Glaubensinhalten, Erwartungen und Selbstbildern. Das Denken wird wie eine Maschine am Laufen gehalten, indem es zwischen verschiedenen Polen hin- und hergestoßen wird. Das Denken hat Absichten und Sehnsüchte, es will Erkenntnis, es will Stabilität und Gleichförmigkeit. Aber es will auch Reibung und Neues. So schwankt das Denken zwischen Selbstbestätigung und Selbstzweifel, zwischen Erkenntnissen und Enttäuschungen, zwischen Wollen und Ablehnen und zwischen Enthusiasmus und Langeweile. Die Gedanken sind Produkte des Gehirns, das mit einer energiegeladenen Mischung aus Glukose und Sauerstoff versorgt wird. Das Denken kann aus diesem Feld verschiedener Spannungen niemals entkommen, es wird immer neu angetrieben, solange das Gehirn Energie verarbeitet. Die Gedanken sind Bewusstsein und Aufmerksamkeit im Chaos unwillkürlicher Verwirbelungen. Auf der körperlichen Seite sind dies die neuronalen Netzwerke, die unwillkürlich an- und ausgeschaltet werden, den immer gleichen Assoziationsketten folgend. Das ändert sich, wenn du anfängst, dem Denken bewusst eine Richtung zu geben. Die Verwirbelungen sind immer noch dieselben, die von je her im Dao stattfinden: Verspieltheit, Lust und Interesse sind die grundlegenden Impulse. Aber sie sind verschleiert durch deine Konditionierungen und verfärbt durch deinen Irrglauben an die absolute Wirklichkeit der Objekthaftigkeit des Seins. Mit Bewusstsein und Ausrichtung kann auch das Denken wieder anstrengungslos dem ursprünglichen Sinn folgen. Bis dahin braucht es jedoch Erkenntnis und Zeit.
Das unbewusste oder „psychische“ Denken folgt also größtenteils den tiefenpsychologischen Mustern, die aus den Bedingungen entstanden sind, denen du in deiner Kindheit unterworfen warst. Daraus ergibt sich, dass das psychische Denken – zumindest teilweise – auch veränderbar ist. Dafür braucht es eine gute Portion Bewusstheit, Glauben und auch nicht wenig Mut. Jeder, der schon eine Psychotherapie durchlaufen hat, wird das bestätigen können. Denn in der Psychotherapie wird (unter anderem) genau das gemacht: Eine Veränderung des subjektiven Erlebens und damit eine Umwandlung der unwillkürlichen Assoziationsketten im Denken. Es ist nicht leicht, auf seine gewohnten Muster zu verzichten und sich dennoch sicher zu fühlen.
Emotionen
Die Emotionen folgen den Naturgesetzen des Körpers. Der Körper arbeitet in Form von Emotionen mit seiner Umwelt zusammen. Die Umwelt sind nicht nur die Objekte und das Handeln und Sprechen der anderen Personen, sondern auch dein eigenes Denken. Der Körper hat eine informationelle Verbindung mit der Umwelt. Der Körper bekommt seine Information zwar über seine Sinne. Aber das Wenigste an Information wird direkt weiter in den Körper geleitet. Dies ist nur bei unwillkürlichen Reflexen der Fall. Bei unwillkürlichen Reflexen wird der Körper sozusagen Teil der Umwelt. Diese lösen auch keine großen Emotionen aus, es geschieht einfach aufgrund naturgesetzlicher Notwendigkeiten. Der größte Teil der Information, die dein Körper erhält, kommt von der Interpretation dessen, was du erlebst. Interpretation ist das Geben von Bedeutung. Die Bedeutung wird niemals aus dem äußeren Geschehen selbst entnommen, sondern immer von dir hinzugefügt. Die Hinzufügung von Bedeutung geschieht selten bewusst, meistens passiert es unbewusst und spontan. Der Körper gleicht sich emotional an deine Interpretation an, aber nicht an das äußere Geschehen an sich. Wenn ich angleichen sage, heißt das, dass es auf eine Weise geschieht, wie Sand sich dem Fuß angleicht und einen Abdruck hinterlässt. Die Emotionen sind immer passend zur Qualität der Bedeutung. Ein ängstlicher Gedanke geht mit ängstlichen Emotionen einher, ein ärgerlicher Gedanke ist mit der Ärger-Emotion verbunden. Das Gehirn ist ja ein Teil des Körpers, deshalb gibt es hier nicht Ursache und Wirkung, sondern ein funktionales Zusammenspiel. Die Emotion und der Gedanke sind Teile ein und desselben körperlichen Prozesses. Ohne Körper gibt es keine Emotionen, sie werden ja durch physische Veränderungen wie Muskeltonus, Herzschlag, Schweißbildung usw. erst wahrnehmbar.
Manchmal hörst du, dass du auf dein Gefühl hören sollst, um herauszufinden, welche Entscheidung die richtige ist. Gemeint ist allerdings nicht, dass man tatsächlich auf sein Gefühl hören soll, sondern auf seine Intuition. Das Gefühl ist der Körper, der Körper ist das Unbewusste. Das Unbewusste weiß alles über deinen jetzigen Zustand, aber nichts über den roten Faden deines Lebens. Wenn es um die Entscheidung für die richtige Pizza geht, frage deinen Körper. Aber wenn du Führung brauchst, zum Beispiel bei der Wahl eines Lebenspartners oder einer neuen Arbeit, frage lieber nicht den Körper, weil er zu kurzsichtig ist. Richtig ist, dass du über ein umfassendes Wissen verfügen kannst, das direkt aus dem Dao stammt. Ob dies nun das „Höhere Ich“ oder anders genannt wird, spielt keine Rolle. Die Intuition liegt oft richtig. Aber das Gefühl kann dich sehr täuschen, weil es überwiegend aus den niederen Impulsen des Egos gespeist wird. Erst wenn du von deinem Ich bin aus deine Intuition befragst, bekommst du zuverlässige Antworten. Eigentlich ist es kein Befragen, sondern ein unmittelbares Wissen. Da ist große Vorsicht geboten, denn das Ego mit seinen kleinlichen Ängsten und Grandiositätsfantasien steht dir oft im Weg.
Und als wäre es damit noch nicht kompliziert genug, wird schon deutlich, dass das Ganze schnell an Komplexität gewinnt. Denn die Beobachtung des eigenen Denkens und Fühlens ist auch wieder ein Denken und Fühlen und Beurteilen, das eine Ursache ist für mehr Denken, Fühlen und weitere „selbstgemachte“ Konditionierungen. Denn wir nehmen ja nicht nur etwas aus der Umgebung wahr und übernehmen es wie eine leere Tafel, die beschriftet wird. Es ist wie eine Tafel, die zusätzlich auch noch selbst Protokolle und Kommentare anfertigt und eigene Schlüsse zieht.
Interessant ist vor allem – und ich kann es nicht oft genug wiederholen – dass man auf keinen Fall Wirklichkeit mit Wahrheit verwechseln darf. Glaube nicht zu sehr – weder deinen eigenen Gedanken noch deinen Emotionen, selbst wenn sie real sind. Aber dazu mehr in der folgenden Passage:
Selbstreferenzielles System
Wir befinden uns in einem selbstrefenziellen System aus Bewusstsein, Wahrnehmung, Denken und Handeln. Daher wird der Gedanke-Emotion-Prozess wiederum zu einer eigenen physischen Wirklichkeit, das heißt: zu einer neuen Verwirbelung von Materie. Augenfällig wird es erst dann, wenn sich dein Handeln und Sprechen aufgrund des Gedanken-Emotion-Prozesses äußerlich wahrnehmbar durch eine Gefühlsäußerung ändert. Du könntest zum Beispiel schimpfen oder Rache üben, aber auch lachen, küssen, tanzen usw. Bei einem Mangel an Bewusstsein verstärkt sich der Prozess unwillkürlich jedes Mal, wenn er stattfindet. Die Wirklichkeit der Emotion scheint die Wahrheit des Gedankens zu bestätigen. Die Konditionierung entsteht und verstärkt sich selbstständig in Trance. Mit ausreichend Bewusstsein kannst du erkennen, dass die Emotion zwar wirklich ist, aber nicht die Wahrheit des Gedankens widerspiegelt, sondern nur seine Qualität.
Das Denken wird oft unterschätzt. Gedanken stehen vor jeder Handlung. Es gibt nichts von Menschen Gemachtes, dem keine Gedanken vorangegangen sind. Das bedeutet allerdings nicht, dass es immer bewusste Gedanken waren oder dass die Handlung immer genau die Gedanken umgesetzt hat. Gedanken sind real, sie sind Aktivierungen von neuronalen Netzen im Gehirn. Es findet auf der physischen Ebene etwas Messbares statt. Denken verbraucht große Mengen chemischer Energie in Form von Glukose. Das Denken wird aber auch überschätzt. Nur, weil ein Gedanke logisch ist, kann er dennoch falsch sein. Die Frage ist immer, ob die Vorannahmen, die für die Schlussfolgerungen herangezogen werden, korrekt sind. Das Denken führt uns auch gern in die Irre, und bei Weitem nicht alles, was sich richtig anfühlt, ist auch richtig.
Konditionierungen
Konditionierungen sind im Laufe des Lebens unwillkürlich angelegte Muster, die aus neuronalen Netzen in Verbindung mit vegetativen, endokrinen und immunologischen Prozessen bestehen. Der größte Teil dieser Muster ist lebensnotwendig und wichtig für das Überleben in unserer Umwelt. Einmal etablierte Muster sind schwer oder gar nicht aufzulösen. Sollte es einschränkende Muster geben, kann man sie meistens nur positiv erweitern oder in kleinen Teilen so verändern, dass sie eine Reaktion ermöglichen, die hoffentlich weniger Leid erzeugt. Das Körper-Gehirn lernt ununterbrochen, ständig werden neuronale Netze erzeugt, erweitert, verändert. Was für die ganze Welt gilt, gilt auch für das Gehirn: Alles fließt. (Heraklit: πάντα ῥεῖ.)
Und damit möchte ich mich für heute verabschieden und hoffe, dass das Gesagte noch eine Weile nachwirkt – und zu noch mehr Bewusstheit führt als du ohnehin schon hast. In der vierten, abschließenden Episode über das Dao möchte ich dir zeigen, wie es kommt, dass du das Dao selbst bist, nämlich das „Ich bin“. Möglicherweise kannst du daraus etwas für dein Leben und dein Aufwachen ableiten …
Bis zum nächsten Mal!