Der so genannte innere Kritiker, wer er ist, wie er entstanden ist und wie man am besten mit ihm umgeht.
Der so genannte innere Kritiker, wer er ist, wie er entstanden ist und wie man am besten mit ihm umgeht.
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Der innere Kritiker
Heute geht es um den inneren Kritiker. Jeder von euch kennt ihn gut. Das ist diese innere Stimme, die vielleicht nicht alles, aber immer wieder vieles von dem verurteilt, was du so machst, wie du bist, wie du glaubst sein zu müssen, es aber nicht bist. Das ist die Stimme, die sagt, dass es nicht in Ordnung ist, wie du dich damals entschieden hast, wie du aussiehst usw.
Eigentlich oder ursprünglich bedeutet der Begriff „Kritiker“ ja nur „Entscheider, Richter, Beurteiler“. Es kommt vom griechischen Wort Kritäs. Das Verb ist „krino“: entscheiden, unterscheiden. Das kann ja in die eine oder die andere Richtung gehen. Das Urteil kann so oder auch anders ausfallen. Ein Literaturkritiker zum Beispiel verurteilt ja nicht unbedingt einen Roman, er kann ihn auch loben.
Das ist im heutigen, allgemeinen Sprachgebrauch etwas anders. Wenn man sagt, dass jemand jemanden kritisiert, dann meint man damit, dass er den anderen verurteilt. Und so ist es, wenn man vom inneren Kritiker spricht, ebenfalls gemeint. Er ist nämlich die innere Stimme, die dich verurteilt und abwertet – und zwar für alles Mögliche. Für deine Entscheidungen, für die Art und Weise, wie du Dinge tust, wie du redest, was du machst und wer du bist, wie du dein Leben gestaltest, wie du aussiehst, wer deine Freunde sind und so weiter.
Es gibt da noch den anderen inneren Kritiker, der bei anderen nach Fehlern sucht und diese kritisiert. Der kommt dann in einem anderen Podcast dran (Podcast über Schuld und Schuldgefühle). Hier soll erst einmal von der Selbstabwertung die Rede sein. Deshalb könnte man ehrlicherweise auch gleich vom „inneren Abwerter“ sprechen.
Da stellt sich natürlich die Frage, wofür man den eigentlich braucht und ob man ihn überhaupt braucht. Später erkläre ich dann noch, wie man mit ihm am besten umgeht, damit er irgendwie zu einer sinnvollen Instanz wird.
Der innere Kritiker arbeitet hauptsächlich mit drei Emotionen, und das sind zum einen die Angst und zum anderen sind es die Schuldgefühle. Die dritte ist die Wut, die sich letztlich aus den ersten beiden entwickeln kann. Und wenn der innere Abwerter sehr stark ist, richtet sich die Aggression so sehr gegen die eigene Person, dass daraus auch Depressionen entstehen können. Deshalb meine ich, ist es wichtig, sich mit dem inneren Kritiker einmal etwas genauer zu beschäftigen.
Die Angst könnte ja den Sinn haben, dass sie einen schützt, so dass man gut durchs Leben kommt oder zumindest irgendwie überlebt.
Schuldgefühle haben eher einen sozialen Sinn. Sie drängen dich dazu, dich so zu verhalten, dass andere dich mögen. Du möchtest ja nicht abgelehnt oder verstoßen werden. Deshalb hörst du auf die Beurteilungen von anderen und vergleichst dich auch mit ihnen.
Die Wut kann ebenfalls hilfreich sein, zum Beispiel, um sich nach außen zu behaupten. Aber wenn sie nach innen, also gegen dich selbst gerichtet ist, fällt mir, ehrlich gesagt, kein richtiger Sinn ein.
Und damit sieht man auch schon, woher dieser innere Kritiker stammt, wie er entstanden ist.
Wir haben schon als kleine Kinder von den Eltern gelernt, wie man zu sein hat. Und das sind dann nicht nur die Eltern, es sind auch die älteren Geschwister, es sind die Freunde, die Mitschüler, und die Lehrer natürlich. Die alle haben dir die Welt erklärt und dir gesagt, wie du zu sein und dich zu verhalten hast. Sie haben das alle mit einer guten Absicht gemacht. Sie wollten, dass du gut durchs Leben kommst. Natürlich gibt es auch ein paar wenige bösartige Menschen, die einen auch nur fertig machen wollen. Aber ich behaupte, dass die Absicht im Wesentlichen eine gute war, nämlich dir dabei zu helfen, ein gelungenes Leben zu führen.
Aber ganz so funktioniert es dann am Ende nur selten. Als Kinder hatten wir nunmal keinen anderen Maßstab als das, was uns die Eltern erklärt haben, die Art und Weise, wie sie uns erzogen haben. Es gibt zwei Aspekte, an die wir hier zu denken haben. Der erste ist, dass die gute Absicht deiner Eltern nicht unbedingt etwas mit dem zu tun haben muss, wer du in Wahrheit bist. Der zweite Aspekt ist, und darauf will ich mit dieser Erklärung hinaus, dass der innere Kritiker etwas Gelerntes ist. Es ist nicht etwas, was du bist. Es ist nicht identisch mit dir. Und vor allem ist das, was er sagt, mit Sicherheit nicht die absolute Wahrheit. Selbst dann, wenn es sich manchmal ganz genau so anfühlt.
Was macht jetzt der innere Kritiker mit dir? Dadurch, dass er versucht, dich in eine bestimmte Richtung zu drängen, so zu sein wie andere oder wie andere glauben, dass man sein muss, um ein gelingendes Leben zu führen – dadurch hält er dich davon ab, der zu sein, der du bist.
Also musst du mit dem inneren Kritiker irgendetwas machen, wenn du vorhast, der zu werden, der du bist. Als Erstes die schlechte Nachricht: Wahrscheinlich werden wir ihn nie ganz los. Ich arbeite selbst ja nun schon länger mit dem guten Kerl, du sicher auch. Und bisher bin ich ihn einfach nicht losgeworden. Aber zumindest eine Veränderung hat er inzwischen vollzogen. Man kann nämlich einiges tun, und das ist die gute Nachricht, damit er einem das Leben nicht unnötig schwer macht.
Je konsequenter man mit ihm umgeht, umso schneller und nachhaltiger verändert er sich auch in eine gute Richtung. Der Podcast heißt ja „Werde, der du bist“. Und die gute Richtung ist dementsprechend die Annäherung an den, der du bist. Also nicht der, der du bisher geworden bist, sondern der, der du schon immer warst. Du bist der Mensch, der du bist, wenn du allein bist – wenn du nur deine eigenen Gedanken hast und wenn du dir selbst vertraust.
Und das ist auch gleich einer der Begriffe, der im Umgang mit dem inneren Selbstabwerter wichtig wird: Vertraue dir selbst.
Man muss etwas auf der Hut sein. Denn es kann leicht passieren, dass diese kritisierende Stimme laut wird und dich dafür tadelt, dass du dich von ihr davon so lange schon abhalten lassen hast, du selbst zu sein – dass du immer noch nicht „weiter“ bist. Also auf der einen Seite hält er dich davon ab, indem er nicht zulässt, dass du du selbst bist. Auf der anderen Seite kritisiert er dich dafür, dass du dich abhalten lassen hast.
Daran erkennt man schon, dass er kein in sich geschlossenes Urteilsvermögen besitzt. Er hat einfach seine drei, vier Themen hat, an denen er herummeckert. Insofern ist das Wort „Kritiker“ nicht ganz passend. Denn ein echter Kritiker hätte ja zumindest ein treffsicheres Urteilsvermögen.
Was kannst du also tun, damit er dich nicht mehr in deiner Selbstindividuation stört? Vielleicht kann er auf Dauer sogar zu einer hilfreichen Instanz werden!
Ich habe es schon angedeutet. Der erste Schritt besteht darin, dass man sich selbst vertraut. Es könnte ein wenig Mut erfordern, darauf zu vertrauen, dass du in deinem tiefsten Inneren, in dem, wer und was du bist, vollkommen in Ordnung bist. Wenn du mal alle Kritik fallen lässt und zulässt, dass da jemand hochkommt, der du eigentlich bist, dass du anders bist, als andere es erwarten. Oder wenn du dein Leben auf eine Weise führst, die andere als falsch beurteilen.
Selbstvertrauen beinhaltet mehr als nur Selbstakzeptanz. Vertrauen bedeutet auch, dass du davon überzeugt bist, dass du richtig bist und dass du dein Leben auf eine Weise lebst, die man als „gelungen“ bezeichnen kann.
Das Vertrauen ist dann da, wenn du dich selbst als Maßstab nimmst. Der innere Kritiker wird dann sozusagen zu einer Art „Erinnerung an frühere Berater“. Verstehe mich bitte nicht falsch. Die Meinung von anderen bleibt trotzdem wichtig und darf durchaus beachtet werden. Aber letztendlich bist du der Chef und du triffst die Entscheidung für dich und nicht, weil andere dich beeinflusst haben. Die Meinung von anderen und auch die Meinung des inneren Kritikers soll wertschätzend gehört werden. Ich habe, wie alle anderen auch, schon viele gute Vorschläge und viele konstruktive Idee von anderen bekommen.
Wenn du dann beginnst, den inneren Kritiker und die anderen Menschen so zu betrachten, dass wir uns alle gegenseitig helfen, dann wird sich mit der Zeit auch der innere Kritiker verändern und tatsächlich zu einer mehr und mehr unterstützenden Kraft werden. Die Anderen dienen dir dann auch nicht mehr als Maßstab, an dem du dich abarbeitest, sondern als Modell, wie man es auch machen könnte – aber nicht machen muss.
Nimm als Beispiel mal irgendetwas Konkretes, ein Thema aus deinem Leben, für das du dich kritisierst.
Vielleicht ist das – objektiv betrachtet – wirklich nicht so besonders intelligent gewesen. Oder vielleicht ist das, woran du jetzt denkst, keine besondere Stärke. Weil ich ja nicht weiß, was du gerade ausgewählt hast, kann ich nur ziemlich allgemein sprechen.
Nimm einfach wahr, was du selbst bisher über dein Thema gedacht hast und wie du dich damit fühlst. Vermutlich nicht so gut.
Eine neue Haltung
Jetzt versuche einmal, eine andere innere Haltung einzunehmen, nämlich die Haltung, dass diese Sache, die vielleicht ein Fehler ist oder war, zu deiner Geschichte und damit zu dir gehört. Wenn sie in der Vergangenheit liegt, lässt sie sich jetzt auch nicht mehr ändern. Aber sie hat zur Entwicklung deiner Person, die du heute bist, beigetragen. Es ist eine Sache, die zu dir gehört. Auch wenn es etwas ist, das dir an dir nicht gefällt und was du in Zukunft nicht ändern kannst, zum Beispiel etwas an deinem Aussehen. Dann versuche, deine Perspektive so zu verändern, dass du nicht mehr mit der Kritik daran identifiziert bist.
Nimm erst einmal das entsprechende Gefühl wahr, das die Kritik auslöst und mache dir folgendes bewusst: Das Gefühl sagt nichts darüber aus, ob die Kritik korrekt ist und der Wahrheit entspricht. Das Gefühl sagt nur etwas über die Qualität des Gedankens aus. Wenn du davon zum Beispiel einen Druck auf der Brust spürst, dann ist es dein druckmachender Gedanke. Wenn dir davon übel wird, ist es ein übler Gedanke. Die Beurteilung der Sache selbst muss davon nicht betroffen sein. Das heißt: Was immer du an dir kritisierst, macht nicht den Druck oder die Übelkeit (oder was auch immer), sondern die Kritik macht das.
Und wenn du jetzt in Zukunft mehr Entscheidungen fällen willst, die in die Richtung des „Werde, der du bist“ verlaufen, dann erinnere dich daran, was dir Freude bereitet.
Nur zu Sicherheit möchte ich sagen, dass es um die echte Freude geht, die nicht oberflächlicher Spaß ist, sondern die Dinge, die dich erfüllen, die sich stimmig anfühlen. Fälle zukünftige Entscheidungen mehr in diese Richtung, nimm die Meckerei deines Abwerters ruhig wahr. Du kennst ihn ja schon. Und dann mache es trotzdem, wie es für dich stimmig ist. Es wäre anmaßend von mir, dir irgendetwas zu versprechen. Aber in meinem Leben haben sich durch dieses Vorgehen immer wieder erstaunliche Dinge ereignet. Neue Chancen haben sich aufgetan. Ich habe auch einige herbe Verluste einstecken müssen, aber letztendlich waren es alles Dinge, Situationen oder Menschen, die mich von mir selbst getrennt hatten.
Und manchmal, ganz manchmal lobt mich mein innerer Kritiker heute sogar.
Ich denke, wir gehen ja alle immer wieder Umwege, und daran hat nicht nur, aber auch, der innere Kritiker Schuld. Manche gehen viele Umwege auf dem Weg zu sich selbst. Einige gehen nur einen einzigen riesigen Umweg und kommen womöglich nie an. Bei denen sieht der Lebenslauf meistens sehr geradlinig aus. Aber auch das ist einfach nur das, was es ist: Eine Lernkurve, und – mal ehrlich – ohne diese Umwege hättest du wahrscheinlich gar nichts erlebt.
Zum Abschluss also mein Rat: Vertraue dir selbst, höre anderen – auch dem inneren Kritiker – wohlwollend zu, aber glaube ihnen nichts, besonders dann nicht, wenn sie heftige Emotionen auslösen.
Also: Viel Freude mit deinem inneren Kritiker!