Viele Menschen hätten gern mehr Selbstliebe, aber nur wenige sprechen darüber. Man möchte sich ja nicht als Egoist oder gar Narzisst outen. Die Wahrheit ist, dass Egoismus und Narzissmus natürlich etwas anderes sind. Darum geht es in dieser Episode. Aber es wird auch eine kleine Übung gezeigt, mit der du nach und nach noch mehr bei dir selbst ankommst und dich selbst liebst.
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Begrüßung / Einführung
Zu Beginn ein Zitat aus den Regulus-Botschaften von Bettina Büx, das viel über das Thema sagt: „Der Mensch ist nie so sehr er selbst, wie wenn er liebt.“ Falls das stimmt – um wie viel mehr ist der Mensch er selbst, wenn sich selbst liebt?
Gefühlt gibt es ungefähr eine Million Podcasts zu diesem Thema. Offenbar gibt es also einen Bedarf dafür. Aber wie kann das sein in einer Gesellschaft, in der so viele Egoisten und Narzissten herumlaufen? Da fragt man sich doch: Läuft hier vielleicht etwas schief?
Zum Beispiel: Ist Selbstliebe überhaupt etwas Gesundes? Und gibt es einen Unterschied zu Egoismus oder sogar zu Narzissmus? Woran merkt man, ob man sich liebt, und wie kann man sich selbst überhaupt selbst lieben?
Diese Fragen werde ich nun zu beantworten versuchen.
Selbstliebe ist logisch
Selbstliebe ist logischerweise immer wieder ein Thema in der Therapie. Denn sich selbst zu mögen, ist ohne Frage die Grundvoraussetzung dafür, gesund zu werden. Wer schon einmal das zweifelhafte Glück hatte, über einen längeren Zeitraum depressiv zu sein, weiß, wie absolut grässlich dieser Zustand ist. Vor allem: wie sehr man sich selbst nicht ausstehen kann.
Ich finde, dass es einfach eine richtig gute Idee wäre, sich mit sich selbst anzufreunden. Man könnte es sogar als logische Notwendigkeit bezeichnen.
Niemand anderes kann für dich so sorgen, wie du das für dich machen kannst. Du hast die intimste Verbindung mit dir, die man haben kann. Du gehst jeden Abend mit dir ins Bett, ohne Ausnahme. Du gehst mit dir jedes Mal auf die Toilette, du wäschst dich, du fütterst dich … Es wäre also sehr vernünftig, wenn du dich selbst zumindest magst, nachdem du noch nicht einmal die Finger von dir lassen kannst.
Wer liebt wen?
Dann könnte man sich mal fragen: Wer genau liebt hier eigentlich wen? Streng genommen müssten es ja zwei sein. Einer, der liebt und einer, der geliebt wird. Wenn ich mir die beiden genauer anschaue, kommt Folgendes heraus.
Derjenige, der liebt, ist dein erwachsenes, reifes Ich. Nämlich der, „der du bist“ – zu dem du werden willst. Der Zweite, der geliebt wird, ist die Gesamtheit deines Seins. Also auch dein Körper mit seinem Aussehen, deine Person mit ihren Charaktereigenschaften, ihren Glaubenssätzen und Erwartungshaltungen. Deine Seele zu lieben (was auch immer das genau eigentlich ist) wird dir vermutlich weniger Probleme bereiten.
Die Liebe für den Körper und für deine Person ist etwas problematischer. Denn darin sind nicht nur deine Fähigkeiten und guten Seiten enthalten, sondern auch deine Unfähigkeiten und Schatten. Alles, was du an dir selbst beklagst.
Es gehört zu dir, ob du willst oder nicht. Es ist ganz egal, ob du sie selbst erschaffen hast, ob sie dir von anderen aufs Auge gedrückt wurden oder ob du sie von deinen Ahnen geerbt hast.
„Na, vielen Dank dafür!“, kannst du denken. Aber diese Teile wollen und sollen auch angenommen und ohne Bedingungen geliebt werden. Denn nur auf diese Weise kommst du irgendwo in die Nähe von einhundert Prozent Selbstliebe.
Was ist bedingungslose Liebe?
Bedingungslose Liebe kommt, wie das Wort schon sagt, ohne Vorbehalte aus. Auch wenn dir – sagen wir – deine Nase – oder deine Schuldgefühle – oder deine Krankheit – oder was auch immer – nicht gefällt, dann kannst du dich trotzdem lieben. Und zwar aus dem einfachen Grund, weil du du bist und dieses andere nicht du bist. Wenn du denkst, du bist nicht klug genug, nicht jung genug oder sonst etwas: All diese vermeintlichen Mängel sind für die Liebe eine Bagatelle. Deine (vermeintlichen) Fehler und Schatten machen dich vielleicht sogar einzigartig, wer weiß? Es gibt manchmal diesen Teufelskreis: Da liebt man sich noch ein bisschen weniger, weil man sich nicht so liebt, wie man es können zu müssen glaubt.
Was ist Selbstliebe?
Was ist Selbstliebe? Zunächst einmal: Sie hat mit Egoismus, so wie er allgemein verstanden wird, nichts zu tun. Der Egoismus sagt zwar auch: „Ich setze mich an die erste Stelle.“ Aber die Selbstliebe tut dies aus rein vernünftigen Gründen, wie ich bereits gesagt hatte. Über den Egoismus später etwas mehr.
Klar ist: Nur wenn es dir gut geht, kannst du auch für andere voll da sein. Es ist für alle, die dir begegnen, ein Gewinn, wenn du gelassen, entspannt und friedfertig bist. Und das geht nur, wenn du erst einmal mit dir selbst im Frieden bist. Dann bist du fast automatisch ein guter Partner, ein guter Vater oder eine gute Mutter, ein guter Kollege, eine gute Freundin und so weiter.
Selbstliebe ist kooperativ
Ich vergleiche es mit dem Herzen. Das Herz pumpt das Blut durch den Körper, so dass alle Organe versorgt sind. Von der Leber wird das nährstoffreiche Blut über die Hohlvene erst zum rechten Herzen geführt, von dort in Lunge, mit Sauerstoff angereichert und dann weiter zum linken Herzen. Wenn das Herz dann das sauerstoffreiche Blut in den Körper pumpt, zweigt es sich erst einmal eine gute Portion für sich selbst ab. Über die Herzkranzgefäße versorgt sich das Herz selbst mit Nährstoffen und Sauerstoff. Es wartet nicht, bis alle anderen Organe versorgt sind, sondern nimmt sich als erstes seine Ration.
Wenn man die anderen Organe zu diesem Verhalten befragen würde, zum Beispiel die Milz oder die Leber, dann würde sich keines von ihnen beschweren und es egoistisch finden, sondern sie wären aus guten Gründen sehr einverstanden, dass das Herz es genau so macht.
Ich liebe dieses Beispiel mit dem Herzen, weil es nicht umsonst als Sitz oder Ursprung der Liebe angesehen wird. Das Herz – auch das Herz-Symbol – versinnbildlicht die Liebe. Und das, obwohl so eigensinnig ist!
Ganz ähnlich würden dir auch deine Freunde und Familienmitglieder antworten, falls du sie fragst, ob sie es gutheißen, wenn du gut für dich sorgst. Jeder, der dich mag, wird sicherlich antworten: „Ja, sieh erst einmal zu, dass es dir gut geht, dass du gesund wirst, dass du gesund bleibst!“ Und so weiter.
Narzissten
Jetzt gibt es zurzeit die Mode, dass man alle möglichen Leute als „Narzissten“ bezeichnet, bzw. diagnostiziert, nicht selten auch aus der Ferne. Da reicht es manchmal schon, wenn sich jemand mal arrogant, egoistisch oder unempathisch verhält. Es wird auch fast nie zwischen den verschiedenen Unterformen dieser Persönlichkeitsstörung unterschieden. Gefühlt müssten eigentlich mindestens ein Drittel aller Männer narzisstisch sein, wenn man mal den voreiligen Urteilen mancher Leute glaubt.
Hier tut etwas Wissenschaft gut. Die Krankheitshäufigkeit der narzisstischen Persönlichkeitsstörung in westlichen Ländern liegt laut einer Metastudie über zehn andere Studien bei nur 1,23 %. Strenggenommen ist das ein hoher Wert, aber trotzdem viel weniger als die gefühlte Statistik.
Richtig ist, dass die meisten Menschen vorübergehend das eine oder andere narzisstische Symptom zeigen. Das ist auch nicht so verwunderlich, denn Egoismus und eine starke Betonung der Individualität prägen bekanntermaßen unsere kapitalistische Gesellschaft.
Missverständnis über Narzissten
Es gibt noch ein anderes Missverständnis, das ich oft höre. Viele denken, dass der Narzisst in seinem tiefsten Innern ein ganz schlechtes Selbstwertgefühl hat und wenig Selbstliebe, und zwar weil er so gern gelobt werden möchte. Das stimmt aber nicht. Echte Narzissten lieben sich selbst nahezu abgöttisch und zweifeln kaum an sich. Narzissmus ist tatsächlich eine Form von Selbstliebe. Aber sie ist pathologisch. Denn sie macht einsam und trennt den Betroffenen von anderen ab. Das ist der Grund für sein Bedürfnis nach Anerkennung. Denn wenn andere seine Grandiosität anerkennen, kann er sich kurz verbunden und verstanden fühlen. Im Glanze seiner Herrlichkeit und Besonderheit sind die anderen Menschen eigentlich nur Statisten im Film seines Lebens. Natürlich ist jeder Einzelne etwas Besonderes, jeder von uns ist einzigartig. Aber der Narzisst steht über allen.
Im griechischen Mythos von Narziss ist es übrigens etwas anders angelegt. Er fand sein eigenes Spiegelbild so unwiderstehlich, dass er beim Versuch, es zu umarmen ertrunken ist. Das deutet an, dass der mythologische Narziss nur in sein Äußeres, sogar nur in ein Bild von sich, verliebt war. Währenddessen ist der persönlichkeitsgestörte Narzisst in jeder Hinsicht von sich überzeugt.
Egoisten und Selbstliebe
Der Egoist stellt sich auch an die erste Stelle, aber nicht, weil er sich selbst so sehr liebt, sondern mehr aus der Angst zu kurz zu kommen. Er fürchtet, die Anderen könnten mehr oder etwas Besseres bekommen. Er ist weder mit sich noch mit anderen im Frieden. Ihm mangelt es zeitweise auch an Empathie. Da spielen tief verwurzelte Gefühle von Minderwertigkeit, Angst und Neid die Hauptrolle. Egoismus und Selbstliebe schließen sich nicht vollständig aus. Aber der Egoist arbeitet oft sich an Dingen ab, die völlig sinnlos sind. Ob mein Nachbar das bessere Auto hat oder ob er arm wie eine Kirchenmaus ist, könnte mir gleichgültig sein. Denn sein Reichtum macht mich nicht ärmer, und durch seine Armut habe ich keinen Cent mehr. Wer in der Selbstliebe ist, gönnt jedem alles, was er hat.
Ein Egoist poliert sein Ego auch regelmäßig auf, zum Beispiel, indem er mit seinem Besitz prahlt, oder sich dafür rühmt, was für tolle Leute er kennt.
Nietzsche sagte: „Die Menschen drängen sich zum Lichte, nicht um besser zu sehen, sondern um besser zu glänzen.“ Oder: „Vor wem man glänzt, den lässt man gerne als Licht gelten.“
Wer sich selbst liebt, denkt nur wenig darüber nach, was anderen über ihn denken. Wozu sollte man sich den Kopf der anderen zerbrechen?
Wie kann man sich selbst lieben lernen?
Und so kann man sich selbst zu lieben lernen. Du kannst mal eine Art kleinen Selbsttest machen:
- Wie steht es um deine eigene Selbstliebe?
- Hättest du dich gern als Freund oder Freundin?
- Würdest du gern mit dir als Mitbewohner zusammenleben?
- Würdest du dich selbst heiraten?
Nun. Die hübsche Schwester der Selbstliebe ist die Selbstakzeptanz. Sich selbst anzunehmen, so wie man ist, mit all den seltsamen Verhaltensweisen. Das wäre ein guter erster Schritt. Anstatt dich mit anderen zu vergleichen, könntest du damit beginnen, dich selbst als Maßstab für dein eigenes Leben zu nehmen.
Sich selbst vertrauen
Dir selbst zu vertrauen, ist der zweite Schritt zur Selbstliebe. Das bedeutet: Du vertraust deinen Eingebungen und Ideen. Vor allem vertraust du deinem eigenen Urteil. Du vertraust darauf, Situationen und Menschen richtig einzuschätzen. Aber du vertraust vor allem darauf, dass du alles schaffst, was du dir vornimmst. Denn du weißt, dass du dich kennst und weißt, was du kannst und was du nicht kannst. Und gewöhne dich daran, dem Leben, das du bist, zu vertrauen.
Du vertraust auch darauf und erwartest wie selbstverständlich, dass alles mit dir stimmt – und dass andere dich ebenfalls genauso annehmen und mögen wie du dich selbst.
Das kannst du in verschiedenen Situationen, aber vor allem, wenn du mit dir allein bist, einüben.
Vielleicht spürst du schon, dass Selbstliebe nicht so trivial ist, wie man denkt. Oder merkst du schon, dass es doch gar nicht so schwierig ist?
Du kennst sicher das Wort von Jesus: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.“
Versuche mal, zur Abwechslung zu sagen: „Ich liebe mich selbst wie meinen Nächsten“.
Übung zur Selbstliebe
Die folgende Übung ist mal wieder unkompliziert, sollte aber regelmäßig durchgeführt werden. Es geht wie folgt:
Schließe die Augen, fühle in dein Herz … und umarme dich innerlich. … Sage zu dir, dass du dich vollständig so annimmst, wie du bist, ohne weitere Beurteilung. … Sage dir, dass du dir vertraust bis zum Ende des Lebens und dass du dir alle Fehler vergeben wirst. … Bedanke dich bei dir, dass du du bist. Und schließlich sage dir, dass du es liebst, du selbst zu sein.
Dann verweile einige Minuten in dieser herzlichen innerlichen Umarmung. Und achte darauf, was hochkommt, ohne es persönlich zu nehmen. Atme normal. Nimm wahr, ob du spürst, wie sehr du du selbst bist, während du das tust.
Ich wünsche dir viel Freude mit dieser hingebungsvollen Erfahrung!